Glauben ins Gespräch bringen
Viele Journalisten interessieren sich für den Glauben – kennen sich aber zu wenig aus. Das wollen wir ändern. Wie, erklären Anna Lutz und Martin Schlorke, die für PRO in Berlin den christlichen Glauben bei vielen Medienschaffenden und Politikern ins Gespräch bringen.
Berlin ist das Machtzentrum in Deutschland. Ihr arbeitet mittendrin als christliche Journalisten für PRO. Wie fühlt sich das an?
Martin: Die PRO ist ein bewusst christliches Medium – da ist immer wieder interessant, wenn man mit Kollegen aus säkularen Redaktionen ins Gespräch kommt. Man muss mehr erklären, als wenn man vom „Spiegel“ oder der dpa kommt.
Inwiefern?
Martin: Viele wissen gar nicht, dass es ernstzunehmenden christlichen Journalismus gibt, um den wir uns im Alltag bemühen. Da gibt es schon gewisse Vorurteile.
Anna: Das erste, was man hier lernt, ist, dass alle auch nur mit Wasser kochen, vom Staatssekretär bis zum Bundesminister. Alle sind Menschen mit Lebensgefühlen, Glaubenssystemen, Wertesystemen, mit Stärken und Schwächen. Ich habe gelernt: Wir sind alle nicht übermächtig, alle sind fehlbar. Natürlich auch Spitzenpolitiker.
Martin: Gerade bei christlichen Themen oder Israel können wir auch mit einflussreichen Menschen auf Augenhöhe reden …
Anna: … da wir uns ein gewisses Vertrauen aufgebaut haben. Es gibt ein Bedürfnis, sich zu öffnen. Eine Bundespolitikerin erzählte mir während eines Interviews von Anfeindungen, denen sie ausgesetzt sei. Sie musste gegen die Tränen ankämpfen. Solche Situationen habe ich nicht nur einmal erlebt. Der SPD-Politiker Lars Castellucci, der von seinen Eltern adoptiert wurde, sagte mir im Interview, er sei froh, dass er nicht abgetrieben worden ist. Er engagiert sich gegen Abtreibungen, und damit ist er recht alleine in seiner Partei.
Martin: Das hat wahrscheinlich auch mit unserem Ansatz zu tun. Wenn man Jens Spahn mit Kritik an Corona-Maßnahmen konfrontiert, antwortet er routiniert. Als ich ihn zusätzlich zu seinem Glauben befragte, sagte er mehrfach, das habe ihn noch nie jemand gefragt.
Anna: Ich habe oft den Eindruck, dass sich Politiker uns gegenüber gerne zu Glaubensfragen äußern, weil sie außer uns sonst kaum einer danach fragt. Nicht alle Zitate schaffen es dann über die Pressestelle ins Interview. Auch das gehört dazu.
Viele Journalisten kennen sich mit dem christlichen Glauben schlicht nicht aus – obwohl die Menschen sich doch sehr für Glauben und Religion interessieren!
Anna Lutz
Wird der christliche Glaube in säkularen Medien positiv oder eher negativ gesehen?
Anna: Weder noch, er spielt kaum eine Rolle. Der Berliner Tagesspiegel hat mittlerweile so gut wie keine Kirchenberichterstattung mehr. In vielen Medien kommt Glaube nur dann vor, wenn es um Skandale in der Kirche geht. Das liegt auch daran, dass sich viele Journalisten mit dem christlichen Glauben schlicht nicht auskennen – obwohl die Menschen sich doch sehr für Glauben und Religion interessieren! Wir wollen mit PRO diese Lücke füllen.
Welche Themen und Ideen finden eurer Meinung nach im Berliner Betrieb zu wenig Beachtung?
Anna: Die Würde des Lebens, die unabhängig ist von den Umständen des Lebens. Das mag seltsam klingen, weil unsere Gesellschaft doch angeblich voll dahinter steht. Das stimmt aber nicht. Wir leben in einer Zeit, in der der Wert des Menschen mit seinen Lebensumständen verknüpft wird. Es ist ein grundchristlicher Gedanke, dass die Würde des Menschen unabhängig ist von unseren Umständen. Diese Überzeugung geht zunehmend verloren und wir thematisieren die im christlichen Glauben tief verwurzelte Würde, die uns Menschen gilt.
Zählst du das Thema Prostitution dazu, über das auch in der Politik oft diskutiert wird?
Anna: Oh ja. Wir leben in einer Zeit, in der wir meinen, alles muss jederzeit für uns verfügbar sein, wir müssen das Leben genauso führen können, wie wir das wollen – zur Not auch, wenn Frauen darunter leiden. Nein, es gibt kein Recht auf eine grenzenlose Bedürfnisbefriedigung. Wir sprechen viel zu wenig über das Leid der Frauen, die überwiegend zwangsprostituiert werden.
Vieles wird über einen Kamm geschoren, anstatt genau hinzuschauen. Nur weil man Abtreibung kritisch sieht, ist man nicht automatisch Fundamentalist.
Martin Schlorke
Ein weiteres Thema ist der Lebensschutz. Konservative Haltungen beim Thema Abtreibung sind in den meisten Medien die Ausnahme. Stimmt das?
Anna: Leider ja, denn es entspricht überhaupt nicht dem Zeitgeist. Dass ein Journalist Abtreibungen grundsätzlich hinterfragt, das gibt es kaum.
Martin: Das ist genau der Punkt bei PRO, dass wir aufgrund des Wertesystems von uns Redakteuren und als Magazin auch Stimmen zu Wort kommen lassen, die Abtreibung kritisch sehen. Es gibt diese Stimmen und sie haben auch Platz im öffentlichen Diskurs. Wenn sie irgendwo vorkommen, dann meist verächtlich. Nur weil man Abtreibung kritisch sieht, ist man nicht automatisch Fundamentalist.
Beobachtet ihr eine immer aufgeheiztere Stimmung?
Anna: Ja. Es ein grundsätzliches, gesellschaftliches Problem, dass man eigentlich nur noch die Extreme bedient. Der Gegenwind ist schärfer geworden, viel heftiger als noch vor zehn Jahren. Das setzt mir schon auch persönlich zu.
Welche Werte sind euch als Journalisten wichtig?
Martin: Wertschätzung, Respekt, Fairness gegenüber einer differenzierten Berichterstattung, um die wir uns bemühen.
Anna: Ich würde hinzufügen:
Wahrheit. Die Suche nach der Wahrheit und das Darstellen von dem, was man als wahr herausgefunden hat, ist mein wichtigster Wert.