Du bist hier in einem People Business.“ Das hörte ich oft, als ich vor über 35 Jahren Journalist wurde. Heute wird immer mehr auf medienforschungsgetriebene, technokratische und unpersönliche Methoden zur Programmfindung gesetzt. Und doch bleiben Menschen mit einer Haltung und einem Background wichtig, jedwede Perspektive christlicher Publizistik braucht Handelnde. Und deswegen hoffe ich auf viele Christinnen und Christen in säkularen Medien, gern auch in ARD und ZDF, Profis in ihrem Job, fundiert im Glauben. Wenn weniger Menschen in der Gesellschaft eine kirchliche Bindung haben, stellt sich das natürlich auch in das öffentlich-rechtliche System durch. Aber da ist viel Spielraum, die Mitarbeitenden in ARD und ZDF repräsentieren nicht eins zu eins die gesellschaftliche Breite. Das ist allgemein eine Herausforderung, aber es gibt keine zentrale Steuerung und es kann keine geben. Viel hängt auch davon ab, wer in die Sender drängt, man kann halt nur aus denen, die sich bewerben, einstellen. Insofern wünsche ich mir Christinnen und Christen, die in die weltlichen Medien drängen, und das gilt nicht nur für die programmlichen Schaltstellen, die Atmosphäre im Sender ist nicht zu unterschätzen.
Handelnde sind wichtig. Irgendwann im Herbst 2020 erreichten uns die Nachrichten aus den Gemeinden: Fast überall drohe wegen Corona das Krippenspiel auszufallen, ob der Kika da nicht irgendwas tun könnte? Wir konnten, wir produzierten den kurzen Spielfilm „Paule und das Krippenspiel“ in gefühlt einem Fünftel der normalen Produktionszeit. Das kann nur funktionieren, wenn an allen Stellen Menschen übermotiviert lostoben. Und das hat etwas damit zu tun, ob sie das Thema inspiriert. Grundlage für das Drehbuch war die allererste Kurzgeschichte von Kirsten Boie, Jella Haase, ehemals „Chantal“, spielte das erste Mal eine Lehrerin. Natürlich kann ein Film das analoge Krippenspiel nicht ersetzen, aber er ist ein sehr charmantes Angebot.
Kultur und Ethik sind nicht alles
Christliches ist im ganzen Repertoire wichtig, nicht nur in Informations- und Wissensprogrammen, sondern auch in Reportagen, Dokumentationen und in der Fiktion. Jede überzeugende christliche Figur in Serien oder Filmen ist locker wirkungsvoller als zwei Infoprogramme.
Das ist eine der Perspektiven, die sich entwickelt hat in den etwa 15 Jahren, in denen ich mich im Kika stärker um christliche Themen kümmere. Am Anfang erklärte ich das auch in Vortragsform gern etwa so: Wir haben weltanschaulich neutral zu sein, haben aber auch einen Bildungsauftrag. Und der Bildungsauftrag lizenziert uns, über Christliches als wesentlichen Teil unserer Kultur zu informieren. Das sehe ich heute etwas anders. Nicht das mit dem Missionieren. Ich mag die Formulierung aus einer kritischen Diskussion, es ginge nicht darum, Kindern „irgendwelche Metawesen einzutrichtern“. Das sehe ich auch so. Christ zu werden und Christ zu sein, bekommt seinen Wert nur als Wahl des Menschen in seiner Freiheit. Wir können vom christlichen Glauben erzählen, wählen müssen die Menschen selbst, auch Kinder und Jugendliche.
Die Frage ist, wie wir vom christlichen Glauben erzählen, und da glaube ich immer weniger an die Perspektive „Einfluss auf unsere Kultur“. Je mehr die Kirchen in den westlichen Gesellschaften die Deutungshoheit verlieren, desto schwächer wird das Argument. Ja, es entgeht einem bei manchen Texten, Liedern und Diskussionen etwas, wenn man das Gleichnis vom verlorenen Sohn nicht kennt, aber zunehmend kommt man damit doch ganz gut klar. Und das Historische reißt es nicht heraus: Mit dem Christentum den mittelalterlichen Städtebau und die Musik Bachs angemessen zu verstehen – ist das etwas, was Kinder und Jugendliche vom Hocker reißt?
Ich jammere hier nicht über den Untergang der abendländischen Kultur. Und mir ist um die Zukunft des Christentums nicht bange. Der Erzbischof der Aladura Church, Reverend Rufus Ositelu, den ich auf einer Drehreise in Nigeria kennenlernen durfte, spricht in Abwandlung der „Dritten Welt“ gerne von der Zwei-Drittel-Welt und der Ein-Drittel-Welt. Und in der Zwei-Drittel-Welt geht es dem christlichen Glauben ausgesprochen gut, in unserer westlichen Ein-Drittel-Welt schwächelt er.
Natürlich schlägt sich das in den Medien nieder. Neben Handelnden ist in den Redaktionen der Zeitgeist wichtig – und der Zeitgeist weht dem christlichen Glauben in der Ein-Drittel-Welt zweifelsohne schwer ins Gesicht. Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Ziehen wir uns auf Kultur und Ethik zurück?
Mehr “3:16” wagen
Schön, dass der christliche Glaube die abendländische Kultur so geprägt hat. Aber er ist an keine Kultur gebunden. Und Ethik gibt’s auch anderswo. Für mich eine der wirkungsvollsten christlichen Momente in ARD und ZDF der letzten Jahre wurde aus dem Stade de France übertragen. Als die Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye sich bei ihrem Olympiasieg im August 2024 in Paris zu ihrem christlichen Glauben bekennt. Und sie bekennt sich nicht zur Nächstenliebe oder zur „Goldenen Regel“, sie hält ein Schild mit der Aufschrift „John 3:16“ in die Kamera. Das scheint mir ein junger christlicher Code weltweit zu sein, die hervorragende Countrysängerin Anne Wilson hat ein Lied einfach „3:16“ genannt. Ich gebe zu, dass ich den Vers nicht sofort parat hatte: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Auch interpretiert als „Gott liebt mich so, wie ich bin“, ist das eine Parole, mit der sich junge Christinnen und Christen gegen den Druck aus den sozialen Medien stemmen, dessen Wucht ich nur erahnen kann.
Der christliche Glaube ist keine Kultur und kein Normenkatalog. Er ist ein Erleben, das Erleben, erlösungsbedürftig und erlöst zu sein. Abstrakter: Ein Angebot für den Sinn des Lebens. Und wir sollten mutig genug sein, den christlichen Glauben als umfassendes Sinnangebot zu präsentieren.
Nun berührt „3:16“ den Opfertod Jesu am Kreuz, wie das Kindern zu vermitteln ist, das wird auch in der christlichen Kinder- und Jugendarbeit heftig diskutiert. Aber wenn es sich um den Kern des christlichen Glaubens handelt, geht an dem Versuch kein Weg vorbei. Und deswegen entschieden wir uns für das Programm „Triff Paulus“, auch zu erzählen, was Paulus mit dem „Wort vom Kreuz“ meint. Die Paulus-Folge ist Teil des Geschichtsprogrammes „Triff …“, in dem die Reporterin nicht nur Zeitreisen zu großen Persönlichkeiten macht, sondern auch in der Gegenwart ihrem Einfluss nachspürt. Und so übernimmt Alex von dem sehr angesagten christlichen Hip-Hop-Brüderpaar „O’Bros“ den Part, zu erklären, was der Kreuzestod für ihn bedeutet. Alles bleibt im persönlichen Erleben und in den Wissensparts im Konjunktiv, es wird nicht missioniert. Aber wofür Paulus steht, das wird erzählt. So wie bei Muhammad Ali und Bertha von Suttner, den beiden anderen Geschichts-Promis aus dieser Staffel.
Im Kika gibt es, anders als in den Hauptprogrammen von ARD und ZDF, keine festen kirchlichen Verkündigungsplätze. Ich bin es gewohnt, im allgemeinen Wettbewerb der Ideen und Geschichten christliche Themen zu platzieren. Und daraus ergibt sich dann doch ein Rat an christliche Publizistik allgemein: Wenn wir auf religiösen Zehenspitzen über gothische Kathedralen und universale Weisheiten des Dalai Lama berichten, über allgemein Soziales oder biblische Metaphern in Popsongs, können wir immer nur Trostpreise für unsere Sache gewinnen. Wir sollten uns trauen, von „3:16“ zu erzählen. |