Der Rundfunkrat des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) sieht in dem Beitrag über die Arbeit des Vereins Kaleb e.V., der unter dem Titel „Schwangere unter Druck – Wie ein Verein in Sachsen Abtreibungen verhindern will“ ausgestrahlt wurde, keinen Verstoß gegen die „Angebotsgrundsätze“ des Senders. Dennoch plädiert das Gremium dafür, den Schutz des ungeborenen Lebens „auch in anderer Form und mit anderer Herangehensweise“ im Programm des MDR zu thematisieren.
Das teilte der Rundfunkrat des MDR in seiner abschließenden Stellungnahme zu einer Programmbeschwerde der Christlichen Medieninitiative pro e.V. (Wetzlar/Berlin) mit. Formal wurde die Beschwerde abgelehnt.
Vor einem Jahr veröffentlichte der MDR einen Beitrag, der die Beratungspraxis der christlichen Organisation Kaleb e.V. in der Region Chemnitz bei Schwangerschaftskonflikten thematisierte. Dafür hatte die Reporterin verdeckt recherchiert und als vermeintlich hilfesuchende Schwangere ein Beratungsgespräch besucht. Die Christliche Medieninitiative pro legte aus diesem Grund und wegen weiterer handwerklicher Mängel Programmbeschwerde ein.
Die Beschwerde stand laut dem Antwortschreiben in zwei Sitzungen des Ausschusses auf der Agenda. Dass die Reporterin verdeckt recherchiert hatte, erschien dem Rundfunkrat nachvollziehbar. Nur so habe sie ein authentisches Bild von den Beratungen bekommen können, so das Gremium.
Irion: „Kein Einzelfall, der verdeckte Recherche rechtfertigt“
„Für uns bleibt eine solche verdeckte Recherche unter Vorspiegelung falscher Tatsachen ein grober Verstoß gegen elementare journalistische Spielregeln“, sagt dazu Christoph Irion, Geschäftsführer der Christlichen Medieninitiative pro. So sei beispielsweise im Pressekodex klar niedergelegt, dass „unwahre Angaben“ wie etwa fiktive Identitäten von recherchierenden Journalisten „nicht vereinbar“ sind mit anerkannten medienethischen Standards. Nur wenn Informationen von „besonderem öffentlichen Interesse“ nicht anderweitig beschafft werden könnten, sei laut Pressekodex eine verdeckte Recherche „im Einzelfall gerechtfertigt“.
Nach Ansicht von Christoph Irion handelt es sich bei dem MDR-Beitrag jedoch nicht um einen solchen „Einzelfall“, der eine verdeckte Recherche rechtfertige. Der Beitrag hatte auch nach Darstellung des MDR quasi nichts zu enthüllen – denn der Verein Kaleb berichtet auf seiner Website
transparent, ausführlich und öffentlich leicht zugänglich über seine Ziele und weitere Hintergründe, die in der MDR-Sendung kritisiert wurden. Das grenzwertige Mittel einer „Undercover“-Recherche scheint für den Beitrag somit eher aus dramaturgischen Erwägungen gewählt worden zu sein, schätzt Irion.
„Schutz des ungeborenen Lebens auch in anderer Form thematisieren“
Deutlich machte der Rundfunkrat, dass bei „einem so sensiblen Thema wie der Frage des Schwangerschaftsabbruchs, die Vielfalt der bestehenden Meinungen und der religiösen, weltanschaulichen und politischen Richtungen in möglichster Breite und Vollständigkeit“ abgebildet werden sollte. Er regte an, den Schutz des ungeborenen Lebens „auch in anderer Form und mit anderer Herangehensweise“ im Programm des MDR zu thematisieren.
In einem Schreiben erklärte der juristische Direktor des MDR, Jens-Ole Schröder, dass der Sender auf einen wichtigen Kritikpunkt der Medieninitiative pro reagiert habe: Im Beitrag kommt eine Expertin zu Wort, die aus wissenschaftlicher Sicht die Beratungspraxis von Kaleb einordnet. Allerdings wird nicht erwähnt, dass sie sich im Verein „pro familia“ engagierte, der ebenfalls Konfliktberatung anbietet und den für einen Schwangerschaftsabbruch erforderlichen Schein ausstellt. Dieser Verein setzt sich für eine Legalisierung von Abtreibungen ein und positioniert sich somit anders als Kaleb. Die Christliche Medieninitiative pro kritisierte, dass die Expertin somit zugleich Interessenvertreterin war und dies im Beitrag nicht transparent gemacht wurde. Aufgrund der Programmbeschwerde habe die Redaktion daher im vorigen Januar den begleitenden Online-Artikel sowie das YouTube-Angebot um den Lebenslauf der Expertin ergänzt, teilte Schröder mit.
„Die Prüfungsgremien des MDR haben sich intensiv und differenziert mit unserer Beschwerde befasst, und sie haben wichtige handwerkliche und inhaltliche Kritikpunkte konstruktiv aufgegriffen“, sagte pro- Geschäftsführer Irion. „Das erkennen wir an.“ Insgesamt bleibe es aber „problematisch“, dass seit Jahren in allen öffentlich-rechtlichen Sendern fast 100 Prozent aller Programmbeschwerden formell abgelehnt werden: „Das fördert nicht gerade das Vertrauen in die Sender. Aber genau das hätte der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerade jetzt dringend nötig.“
Eine ausführliche Meldung zum Thema lesen Sie hier: https://www.pro-medienmagazin.de/abtreibung-mdr-programmbeschwerde/